Die Fotografie begleitet mich, Jg. 1949, fast mein ganzen Leben. Schon als Jugendlicher sammelte ich erste Erfahrungen mit einer Edixa-Spiegelreflexkamera, entwickelte und vergößerte selbst und machte erste Erfahrungen mit Fotogrammen. Familienbedingt traten in den folgenden Jahren Personen- und Urlaubs-/Landschaftsfotos in den Vordergrund, dabei war die Suche nach dem besonderen Bildausschnitt und Detail aber immer wichtig. Die Hinwendung zur künstlerischen Fotografie erfolgte vor etwa zehn Jahren und hat sich seit dem Ende meiner Berufstätigkeit als Bibliothekar sehr verstärkt.

 Nicht das normale „schöne Motiv“ steht im Zentrum meiner fotografischen Arbeiten (das gibt es natürlich auch), sondern das ästhetisch Reizvolle im Unscheinbaren, vermeintlich Hässlichem, wie es sich in vor allem in Prozessen der Veränderung von Gegenständen herausbildet: Veränderungen durch Alter, Abnutzung, Verschleiß, Verwitterung o.ä.

 Verfallene und verwitterte Dinge, an denen andere achtlos vorübergehen, haben für mich einen ganz besonderen Reiz, Verfall und Vergänglichkeit sind deshalb meine bevorzugten Motive: die Bildung von Rost an Metallen, absplitternde Lackfarben, verwittertes Holz, zerrissene Plakatreste, zersplittertes Glas, organische Überwucherungen usw.

Die bildliche Darstellung im Stadium des Verrottens, Verfaulens, Verfallens zeigt die Gegenstände in der Phase, in denen sie von uns aufgegeben und vergessen, in der sie sich selbst und den Veränderungsprozessen der Natur überlassen wurden.

Für mich ist es dabei spannend, festzustellen, wie aus dem Verfall des Schönen eine Ästhetik des Verfalls entsteht. Die neu entstehenden ästhetischen Reize weisen eine ganz eigene Schönheit auf - deren Betrachtung allerdings nicht ohne einen leichten Schmerz erfolgt, denn sie erinnert immer auch an das vergebliche menschliche Bemühen nach Bewahrung und Erhaltung.

 Ich sehe die künstlerische Herausforderung darin, die hier entstandenen Farbenspiele und Formveränderungen über- haupt erst einmal zu entdecken, ihre Reize wahrzunehmen, um dann durch die Wahl des richtigen Bildausschnittes, der Bestimmung der Schärfentiefe, der passenden Belichtung usw. die Gegenstände durch die Fotografie der Unscheinbarkeit und Vergänglichkeit zu entreißen.

 

In letzter Zeit hat sich die Motivauswahl dahingehend verändert, dass immer mehr das Gegenständliche völlig verschwunden ist. Die Fotografien werden total abstrakt.

Es sind jetzt allein Veränderungen und Verletzungen auf der Oberfläche (Farbspritzer, Kratzer, Rost) die die Bilder bestimmen. Statt eines Abbildes entsteht ein Strukturbild.

 

 Die Konzentration auf reine Oberflächenveränderungen und Texturen sind oft mit einer Vergrößerung von Details verbunden. Erst die Makrobetrachtung erlaubt es, z.B. neue Farbeffekte zu erkennen und eventuell zu bearbeiten bzw. hervorzuheben. Insofern wird der „normale“ Blick des Betrachters erweitert und intensiviert-

 

Diese Beschädigungen der ursprünglich perfekten Oberfächen transformieren den ursprünglich zweckbestimmten Gegenstand, verändern damit seinen Aggregatzustand. Wobei die Veränderungen sowohl durch natürliche Einflüsse (Witterung, die z.B. zu Rost und Risen führt), als auch unbeabsichtigte menschliche Eingriffe (Kratzer etc.) hervorgerufen werden.

 

Zum Kunstobjekt werden sie aber erst dadurch, dass sie in einem ersten Schritt vom Künstler, in diesem Fall dem Fotografen, überhaupt erst entdeckt werden.

 Daran schließt sich in einem zweiten Schritt der eigentliche gestalterische Prozess an, in dem durch die Auswahl des Objekts, die Perspektive, die Positionierung im Bild, die Bestimmung der Schärfe und Schärfentiefe, entuelle Korrekturen der Farbe etc. das endgültige Objekt fixiert wird.

Insgesamt kann hier durchaus von einer Metamorphose sprechen: zum einen in dem sich der Gegenstand durch ungeplante Eingriffe von Mensch und Natur verändert, zum anderen, indem sich das aufgefundene Objekt durch den Gestaltungsprozess in ein Kunstwerk verwandelt.

 

 


Eine erste Ausstellung mit ca. 60 Arbeiten fand unter dem Titel "Rost und andere Schönheiten" von November 2018 bis Februar  2019 im vhs-Zentrum in Wiesloch statt.